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Topstars und Supermodels - Deutschland im Castingrausch

Topstars aus dem Boden gestampft. Produziert wie Gartenzwerge oder warme Semmeln. Nach knallharten Auslesestrategien und Marketingregeln. Was genau ist an diesem Trend so faszinierend? Was veranlasst gerade junge Menschen, sich zu Zehntausenden dieser Mühle auszusetzen? Ist dies alles eine Krankheit oder nur das Symptom einer viel tragischeren, viel tiefer sitzenden Ursache?

Es wäre sehr einfach zu sagen: Die Fernsehsender sind schuld. Die Macher des Ganzen. Die natürlich nur auf einen Haufen Geld scharf sind. Auf ein Häppchen eigenen Erfolg auf Kosten tausender, naiver Teilnehmer. Zur Freude von Millionen schadenfroher Zuschauer.

Nein. Die Ursache liegt tiefer. Der Megagigasuperwahn ist nur ein kleiner Nebenkriegsschauplatz unserer Fastfoodgesellschaft. Eines Menschenbildes, das dem Einzelnen von Kindesbeinen an eingetrichtert wird, und das besagt, `Du bist nur dann etwas wert, wenn du ein Star bist´. Die Grundaussage geht sogar noch weiter. Sie besagt: `Du bist nur dann etwas wert, wenn du ein Leben auf höchstem Niveau mit möglichst geringem Eigeneinsatz bewerkstelligen kannst´.

Was läge zu diesem Zweck näher, als sich der Medien zu bedienen? Der Medien, die einem potentiellen Popstar die Ochsentour durch die Provinz ersparen können? Dem künftigen Supermodel das Klinkenputzen bei den Machern zweitklassiger Kataloge? Das Suchen? Die Blutarbeit?

Eine wie auch immer geartete Karriere zu `stricken´, das bedeutet Einsatz. Nicht nur über die begrenzte Zeit einer Cstingshow hinweg, sondern ständig. Jahrelang. Immer. Ein persönliches Engagement, das für die Persönlichkeitsbildung ungleich wertvoller ist als die angestrebte Karriere selbst. Einen Wachstumsprozess, an dessen Ende durchaus die Erkenntnis stehen kann, dass das Erstrebte eigentlich so wünschenswert gar nicht ist. Oder, im anderen Fall, die Entdeckung, dass man der Welt durchaus etwas Wertvolles zu geben hat. Etwas, das über die Wiedergabe von Instantgeräuschen oder den Verkauf von Einwegrasierern mittels zweier auf Großplakat gedruckter Endlosbeine hinausgeht. Etwas Eigenes, das nur DIESE Person genau in DIESEM Moment ausdrücken, vermitteln oder entdecken kann.

Wie aber soll diese spezielle Person ihr ureigenes Potential entdecken, wenn ihr in Instant-Shows mit Instant-Publikum klargemacht wird, dass jeder Furz den sie lässt eine Offenbarung ist?

Dass selbst der Mega-Star, der den Song vorher zum Besten gegeben hat, nicht an die Interpretation von XY heranreicht? So lange nicht YZ kommt, und dem Ganzen in der nächsten Staffel die Krone aufsetzt?

Für die Teilnehmer allerdings kann auch dieser schnelle Aufstieg und zwangsläufige Wiederabsturz eine wertvolle Erfahrung sein. Kann ihn dazu bringen, erstmals unter seine eigene Oberfläche zu gehen und ein wenig zu schürfen.

Ein Spiel mit der Sehnsucht der Menschen?

Ja! Absolut!

Aber warum sollte dies verwerflich sein?

Denn bereits diese Sehnsucht nach dem schnellen, aufwandslosen Ruhm ist ein Teil der eigentlichen Krankheit. Eine Seite der Medaille, auf deren Gegenseite das Publikum steht. Ein Publikum, dessen Bedürfnis nach Eigenruhm nicht minder groß ist wie das der Teilnehmer. Dessen Einsatzbereitschaft allerdings noch kleiner ist. Das sich mit der Schadenfreude genügt, wenn wieder mal ein Teilnehmer der Vorrunde sich für die nächsten 20 Jahre nirgendwo mehr sehen lassen kann.

Oder mit dem kleinen Stückchen Identifikation, wenn ein ehemaliger Hartz-4ler es endlich mal geschafft hat.

"Das könnte ich auch schaffen", spricht´s, und lehnt sich entspannt zurück.

 

Kein Teilnehmer, auch keiner der Gewinner solch einer Show, wird jemals ein Superstar werden. Sie wissen schon: Superstar! Elvis. Die Beatles. Marilyn Monroe.

Und der Grund dafür ist ganz einfach: Die Teilnehmer einer Castingshow hatten noch nie die Gelegenheit, sich zu entscheiden, auf welcher Seite sie stehen wollen: Hinter oder vor dem Ladentisch.

Sie kommen von der gleichen Seite wie die Zuschauer der Shows. Und werden genau deshalb diese Seite nie wirklich verlassen können.

Castingshows verbieten?

Nein, warum? Sie sind nichts als ein Teil der momentanen Selbsterfahrung der Menschheit.

Und die kann manchmal weh tun.

Kommentar für newsandbuy.de von ©Ursula Prem, 2008












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