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Presseskandal um Gustl Mollath Teil II der Medienbetrachtung von Ursula Prem In meiner Medienbetrachtung vom 15. Dezember bin ich bereits auf die verblüffenden Parallelen dreier fast zeitgleich erschienener Berichte zum Fall Gustl Mollath eingegangen und habe vier gleichlautende Grundthemen aus den Artikeln des SPIEGEL, der ZEIT und des TAGESSPIEGEL herausgearbeitet. Diese lauteten:
* Gustl Mollaths angebliche »Wahnkrankheit« wurde durchgehend als Tatsache dargestellt. * Unterstützer und wütende Bürger wurden als »aufgebrachter Mob« denunziert. * Alle drei Artikel konstatierten eine »Verschwörungstheorie«. * Die Schreiber appellierten an diffuse Ängste der Bevölkerung vor Gewalttätern.
Aktuelle Ereignisse zeigen das Ausmaß des Skandals
Die neuesten Ereignisse zeigen inzwischen, dass die wahren Zustände in manchen Medienhäusern noch weitaus schlimmer zu sein scheinen, als die meiner Analyse zugrunde gelegte Arbeitshypothese dies annahm: In Wahrheit kann man im Falle Gustl Mollaths inzwischen auch von einem ausgewachsenen Presseskandal sprechen, der an Widerwärtigkeit seinesgleichen sucht. Aus diesem Grunde möchte ich das Thema erneut aufgreifen und einige Passagen mit aktuellen Informationen abgleichen.
In ihrem Artikel vom 14.12.2012 schrieb die ZEIT:
»Auch der Unterstützerkreis des Gustl Mollath ermittelt: Hier sucht man einen prominenten Verteidiger für die Wiederaufnahme. Offenbar traut man den Beteuerungen der Staatsanwaltschaft nicht. Florian Streibl von den Freien Wählern hat den Hamburger Rechtsanwalt Gerhard Strate akquiriert. Der hat Gustl Mollath in der Psychiatrie besucht, drei Vollmachten hatte er dabei – Mollath hat nicht unterschrieben. Dabei hätte Strate nicht einmal Geld verlangt. Will Mollath etwa gar keine Wiederaufnahme? Hat er sich in der Rolle des Märtyrers der bayerischen Strafjustiz eingerichtet?«
Welches Gefühl hinterlässt diese Darstellung beim unbefangenen Leser? – Ganz klar: Mollath kann wirklich nicht ganz dicht sein, wenn er in seiner Situation einen erfahrenen Staranwalt, der ihm seine Hilfe anbietet, unverrichteter Dinge wieder ziehen lässt. Hat er vielleicht doch nicht alle Latten am Zaun? Oder ist er auf derart unsympathische Weise arrogant, dass der Schritt zur Gefährlichkeit nur noch klein ist? – Wer sich nach der Lektüre des Artikels diese Fragen stellt, deren Antworten die ZEIT auf tendenziöse Weise offen lässt, sollte sich eines bewusst machen: Es ist genau der Zweck des Artikels, Mollath als unberechenbaren Sonderling dastehen zu lassen! Die offensichtliche Intention ist es, Zweifel zu säen und die öffentliche Meinung zuungunsten Gustl Mollaths zum Kippen zu bringen. Wie dies genau funktioniert, wissen ausgebuffte Medien-Manager genau. Wer über genügend Kleingeld verfügt, kann entsprechende Fachleute mieten, die über heiße Drähte in die maßgeblichen Redaktionen verfügen. Wer sich für das Thema interessiert, dem genügt eine kurze Google-Recherche und er findet heraus, welche einschlägigen Agenturen solche Dienstleistungen ganz offen auf ihren Websites anbieten!
Zu Gustl Mollaths Glück wird die Süddeutsche Zeitung nicht müde, Halbwahrheiten wie die oben zitierte kritisch zu hinterfragen. Sie meldete am 20.12.2012:
»Alles Unsinn, erwidern nun sowohl Mollath als auch Strate - und wundern sich über Die Zeit, denn die Vollmacht wurde bereits Tage vor der Veröffentlichung erteilt. Mollath sagte der SZ, er habe nach einem Besuch Strates im Bezirkskrankenhaus Bayreuth lediglich zunächst mit seiner Anwältin - einer Münchnerin, die Mollath seit Monaten vertritt - über einen zusätzlichen Anwalt sprechen wollen. "So etwas gebietet, finde ich, der Anstand", sagte Mollath, denn die Anwältin habe sehr viel Arbeit in seinen Fall investiert; und das zu einer Zeit, in der ein Wiederaufnahmeverfahren nahezu unmöglich erschienen sei. Überdies habe er sich über Strate, der ihm bis dahin nur als Name ein Begriff gewesen sei, informieren wollen. Dies habe er dem Hamburger Anwalt auch so mitgeteilt [...]«
Rechtsanwalt Dr. Gerhard Strate selbst kommentierte den Vorgang mir gegenüber folgendermaßen:
»Der Hinweis von Frau Rückert [Anm.: Sabine Rückert, Journalistin und Mitglied der ZEIT-Chefredaktion] auf die nicht unterschriebenen Vollmachten ist besonders deshalb anstößig, weil sie mir in dem mit ihr fünf Tage vor der Veröffentlichung in der ZEIT geführten persönlichen Gespräch zugesagt hatte, alle Zitate durch mich autorisieren zu lassen. Indem sie mich nicht als Quelle zitierte, schien sie sich offenbar der Verpflichtung zur Autorisierung enthoben zu fühlen. Ich hatte ihr lediglich deshalb von den Vollmachten erzählt, weil die Reaktion von Mollath, vor Unterzeichnung der Vollmachten zunächst noch mit der für ihn bisher tätigen Rechtsanwältin Rücksprache nehmen zu wollen, gerade ein Ausweis überlegten und auch moralisch gebundenen Handelns war. Ich bekomme im Jahr mindesten fünfzig/sechzig Briefe von tatsächlich oder angeblich Unschuldigen aus Deutschlands Knästen und geschlossenen Anstalten, von denen in vergleichbarer Situation bestimmt jeder sofort unterschrieben hätte. Gerade dass Mollath dies nicht sofort getan hat, zeichnete ihn für mich aus.«
Einer Journalistin, die sich nicht an ihre eigenen Absprachen hält, mag eine solch grundanständige Haltung, wie Gustl Mollath sie an den Tag legt, selbstverständlich fremd erscheinen. In jedem Fall hinterlässt die Art der Darstellung in der ZEIT beim Leser einen mehr als schalen Nachgeschmack, der in eine zwingende Frage mündet, die da lautet: cui bono?, zu Deutsch: Wem nützt eine solche Verzerrung? Es lohnt sich, über diese Frage nachzudenken, will man den Urheber der Kampagne ermitteln.
Wiederum die Süddeutsche Zeitung war es, die am 22. Dezember eine weitere Merkwürdigkeit aufklärte.
Die ZEIT hatte am 14.12.2012 berichtet:
»Mollath war für die Begutachtung einen guten Monat in dessen forensischer Abteilung untergebracht gewesen. Dort erschien das Verhalten des Patienten dem Personal bizarr: Mollath weigerte sich zu essen und sich zu waschen oder seine Schuhe anzuziehen.«
Und auch SPIEGEL-Autorin Beate Lakotta hatte am 19.12.2012 in einer weitschweifigen Erklärung nochmals nachgelegt und geschrieben:
»Er verweigerte das Waschen, bis er so stank, dass es zu Konflikten mit den Mitpatienten kam und schrieb sich von einer Tube mit Reinigungsmittel eine Telefonnummer ab, weil er glaubte, man wolle ihn in der Klinik mit Seife vergiften. All das und noch vieles mehr hat Dr. Leipziger sehr ausführlich in seinem Gutachten dokumentiert.«
Liest man die Meldung der Süddeutschen, klärt sich Mollaths Verhalten:
»Tatsächlich hatte Mollath in den ersten Tagen seines erzwungenen Aufenthalts in Bayreuth darauf hingewiesen, er wasche sich aufgrund diverser Allergien seit Jahren lediglich mit Kernseife. Als er eine solche nicht bekommt, weigert er sich aus Protest zunächst, sich zu waschen. Ende Februar 2005 folgt der Eintrag in den Klinikakten, Mollath führe "seine Körperhygiene nun selbst (mit Kernseife)" durch. Er zeige nun ein "äußerlich ordentliches Erscheinungsbild", trinke viel Tee und Mineralwasser, habe "regen Kontakt mit einem Mitpatienten" und mache "Gesellschaftsspiele im Aufenthaltsraum". Gefehlt hat ihm bis dahin offenbar: eine Kernseife.«
Ich wiederhole meine obige Frage: cui bono? Wer also hat einen Nutzen davon, derartig auf jemanden einzutreten, der bereits am Boden liegt? Wer hat solche Angst vor Gustl Mollath, wenn der doch angeblich nur ein kranker Wahnsinniger ist, der nichts als haltlose Behauptungen aufstellt? – Um es klar zu sagen: Alleine die Wucht dieser mutmaßlich nicht ganz billigen Unisono-Pressekampagne ist in meinen Augen ein Wiederaufnahmegrund für sich!
Des Weiteren ist die Frage zu stellen, ob solche Art der Berichterstattung noch mit dem vom Deutschen Presserat formulierten Pressekodex in Einklang zu bringen ist oder Verstöße gegen die Ziffern 1, 2, 3, 7, 9, 13 oder 15 vorliegen könnten.
Schließen möchte ich diese Analyse mit einem Denkanstoß der besonderen Art:
»Systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer und diskreditierender, sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben; [...]« – Zitat aus der Richtlinie Nr. 1/76 zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge vom Januar 1976 des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, betreffend die Zersetzung von Einzelpersonen –
Seriöse, weil langjährig und unter Betrachtung aller Aspekte zusammengetragene Infos über den Fall Gustl Mollath gibt es auf der Website seiner Unterstützer. Das Einlesen lohnt sich: |